Der Erde geht die Puste aus
Weniger Artenvielfalt, zu viele Chemikalien und Kunststoffe, zu intensive Abholzung: Sechs von neun planetaren Grenzen sind Forschern zufolge bereits überschritten. Die Widerstandskraft der Erde schwinde.
Die Menschheit hat sich seit der letzten Eiszeit in einem stabilen und sicheren Umfeld entwickelt. Doch das ändert sich gerade. Zum ersten Mal hat eine Gruppe von 29 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Belastungsgrenzen dieses sicheren Handlungsraumes quantitativ gefasst, alle planetaren Grenzen sind damit vollständig beschrieben. Sie postulieren neun Dimensionen und stellen fest: Sechs davon sind bereits überschritten.
Das Ergebnis ist im Fachblatt "Science Advances" zu lesen. "Wir wissen nicht, wie lange wir entscheidende Grenzen derart überschreiten können, bevor die Auswirkungen zu unumkehrbaren Veränderungen und Schäden führen", sagt Johan Rockström, Mit-Autor der Studie und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
Bislang haben natürliche Kräfte die Entwicklung der Erde beeinflusst. Die Menschheit ist als ein bestimmender Faktor hinzugekommen. Die massivste Grenzübersteigung sieht die Studie bei der Artenvielfalt. Sie sei die Rückversicherung des Systems, die Fähigkeit, Störungen auszugleichen. Besonders hier bewege sich die Menschheit mit hohem Risiko voran. Aber auch bei der Belastung durch Düngemittel, Klimagase, Kunststoffe und Radioaktivität seien die Grenzen überschritten - sowie bei der Abholzung und bei der Wassernutzung.
Studie soll ein Weckruf sein Die Autoren nennen ihre Arbeit einen erneuten Weckruf an die Menschheit. Sie laufe Gefahr, ihre sichere Basis zu zerstören. Sie verweisen vor allem darauf, dass keines der Erdsysteme für sich alleine steht, dass sie sich gegenseitig bedingen und beeinflussen. Darin lägen Risiken und Chancen. Würde man etwa die Waldfläche der Erde wieder auf die Ausmaße gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts bringen, könnte das eine bedeutende Senke für das Klimagas CO2 sein - und damit ein wirksames Mittel gegen weitere Temperaturerhöhungen.
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